Konstellationen
Folke Hanfeld
1. 09. – 08. 10. 2005
Sterne und Engel
Aus der Tradition ortsspezifischer Arbeiten heraus, wie sie in Berlin seit den achtziger Jahren praktiziert werden, hat Folke Hanfeld ein Verfahren entwickelt, das man entsprechend zur Alchemie etwa Algeometrie nennen kann. Es ist vorwiegend der visuellen Wahrnehmung verpflichtet und betreibt das Einschreiben von Figuren in gegebene Zusammenhänge. Hanfeld behauptet, jeden materiellen Ort mittels geometrischer und sterooptischer Kalkulationen über seinen topographischen Kontext in einen Generator für Zeichen und Bilder umwandeln zu können.
Gern mache ich mir ein Bild von der Lage eines Ortes, indem ich auf den Stadtplan schaue. Hinsichtlich des Ortes von Stella A. gefiel es mir, ihn als Mittelpunkt eines fünfzackigen Sternes zu beschreiben, der auf der Berliner Ost-West-Achse steht, eine seiner Spitzen auf dem Mittelstreifen Unter den Linden zwischen Friedrich- und Charlottenstraße, eine andere auf der Verlängerung der Achse in derRuine der Klosterkirche. Aus dieser Spitze entspringt ein zweiter, kleinerer Stern, der den Ort meines Ateliers an der Spree gegenüber des Bahnhofs Jannowitzbrücke umschreibt. Erstaunlicherweise stehen beide Sterne genau im Verhältnis des Goldenen Schnittes zueinander, auch die Strecke zwischen Atelier und Galerie erfährt durch die Ruine der Klosterkirche die gleiche harmonische Teilung.
Bei einem weiteren Blick auf den Stadtplan erschien mir ein Engel, dessen Gestalt im Straßen- und Schienennetz der Stadt eingeschrieben ist und dessen Herz den Ort der Galerie in sich birgt. Seine beherrschende Geste ist das Ausbreiten der Arme, mit der er die gesamte Torstraße umfasst, die Charité in der rechten, die Gräber der St. Marien- und der St. Nicolai-Gemeinde in der linken Hand. Schützend hält er seine Arme über die Spandauer Vorstadt. Die Spitzen seiner ausholenden Schwingen streifen rechts die aus dem Tunnel in die Höhe kommende S-Bahn und links die aus dem Tunnel in die Höhe kommende U-Bahn. Der Nabel des Engels ist der Hackesche Markt, der Gürtel die Trasse der Stadtbahn. Sein Geschlecht nähert sich dem Lustgarten und seine Knie umspielen die Ruine der Klosterkirche. Die Spitze des rechten großen Zehs berührt seinen Entstehungsort, mein Atelier an der Jannowitzbrücke.
Folke Hanfeld